Zwei Handvoll Landwirte aus der Ökomodellregion und aus Nachbarslandkreisen haben sich heuer zusammengeschlossen, um im dritten Jahr versuchsweise heimischen Biogelbsenf anzubauen und einen benachbarten Biohändler aus Mühldorf damit zu beliefern. Ihre Erfahrungen haben sie zum Jahresabschluss ausgetauscht, denn Erfahrungsberichte von Praktikern aus der Region gibt es bisher so gut wie keine. Selbst die Landesanstalt für Landwirtschaft hat noch keine Sortenversuche zu Bio-Gelbsenf im Programm; die Entscheidung im Anbauprojekt fiel 2016 und 2017 auf die Sorte Matigena als erucasäurearme Sorte.
Der Anbau von Bio-Gelbsenf, botanisch auch Weißer Senf genannt, dürfte ackerbaulich das anspruchsvollste Produkt sein, das in der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel 2015 begonnen wurde, das wurde beim Erfahrungsaustausch deutlich. Der Gelbsenf gehört zur Familie der Kreuzblütler, ist also mit Arten wie Rüben, Rettich und den Kohlgewächsen verwandt – oder mit Raps, und deshalb kann er auch von der gleichen Gruppe an Rapsschädlingen befallen werden. Was im konventionellen Raps- oder Senfanbau ab einer bestimmten Schadschwelle durch den Einsatz von Insektiziden gelöst wird, ist im Bioanbau tabu – nur über die Förderung eines aktiven Bodenlebens und somit gute Startbedingungen für die Kultur, über die Förderung vielfältiger Nützlinge z.B. durch vernetzte Landschaftsstrukturen und pflanzenstärkende Maßnahmen versucht der Biolandwirt, seine Kulturen gegenüber Schädlingsbefall zu stärken. 2017 war der Schädlingsdruck bei fast allen teilnehmenden Betrieben zum Glück gering.
Hans Posch begutachtet seine Senfpflanzen im Gemenge mit Ackerbohnen, Bild von Anne Bogdanski.
Es tut dem Boden gut und verringert den Schädlingsdruck, wenn der Biosenf nicht im Reinanbau, sondern gemischt mit anderen Kulturen angebaut wird. Die Landwirte, ein Großteil davon im Demeter-Verband organisiert, waren sehr experimentierfreudig: Von der Mischung mit Schmetterlingsblütlern wie Ackerbohnen und Erbsen bis zu Getreidearten wie Weizen, Dinkel oder Buchweizen reichten die Spielarten des gemeinsamen Anbaus unterschiedlichster Hauptfrüchte mit dem Nebenprodukt Senf. Da das Saatgut heuer sehr spät angeliefert wurde, waren die Mischungen von Getreide mit Senf im Ertrag wenig erfolgreich, der Senf wurde zu spät in die wachsenden Sommergetreidekulturen eingesät und meist von der Hauptfrucht überwachsen, wie Landwirte aus Tittmoning und Tengling berichteten. Solang sich die Hauptfrucht positiv entwickelt und normale Erträge liefert, ist das ökonomisch kein Schaden. Eine positive Ausnahme bildete das Gemenge von Matthias Posch aus Obing, der erstmalig die seltene alte Kulturart Purpurweizen, eine sehr extensive Sorte mit einem hohen Gehalt an Anthocyanen – das sind rötlich-violette Farbstoffe, die auch gesundheitlich wertvoll sind - mit Senf gemischt hatte und damit gute Erträge bei beiden Kulturarten erzielte. Positive Ergebnisse wurden auch in der Mischung von Erbsen mit Senf erzielt, wie z.B. bei Sepp Probst aus Chieming oder Hans Posch aus Nußdorf – während die Erbsen als Leguminosen dem Senf natürlichen Stickstoff über Bodenbakterien bereitstellen, dient der Senf als Stützfrucht für die Erbsen.
Die Kunst des Gemengeanbaus erfordert aber nicht nur die passende Auswahl der Gemengepartner in Abhängigkeit von der Bodenart und der betrieblichen Fruchtfolge, der Abreifezeitpunkt beider Kulturarten soll nah beieinander liegen, es muss auf den Feuchtegehalt beider Kulturen und möglichst wenig Verunkrautung vor der Ernte geachtet werden und nicht zuletzt soll sich das Gemenge nach der Ernte gut trennen lassen und der Speisesenf eine intensive Gelbfärbung aufweisen, damit nicht bei der späteren Reinigung durch Farbausleser ein Großteil guten Senfs herausgereinigt wird. Für 2018 planen deshalb einige Landwirte erstmalig, auf kleinen Flächen Senf im Reinanbau zu testen – ein vielfältiger Fruchtwechsel ist bei allen teilnehmenden Landwirten ohnehin garantiert.
Das Projekt wurde 2015 in einer Kooperation eines Mühldorfer Biohändlers und der Ökomodellregion gestartet. Karin Huber von der verarbeitenden Firma aus Mühldorf lobte die Landwirte aus dem Ökomodellregions-Projekt für die großen Bemühungen zur Produktion von heimischem Biogelbsenf als echter Rarität. Das Handelsunternehmen und sein Verarbeiter sind am Bezug regionaler Rohstoffe zunehmend interessiert und fördern das Projekt durch einen fairen, überdurchschnittlichen Preis, ohne den der Anbau mit all seinen Risiken für den Landwirt uninteressant wäre, sowie durch die Unterstützung bei den Reinigungsmaßnahmen. Ziel des Projekts ist es, im Laufe eines fünfjährigen Testanbaus die für unsere Region passenden Anbauformen herauszufinden, um zu stabilen Erträgen zu kommen. Ziel ist es auch, mittelfristig soviel heimischen Senf zu bekommen, dass eigene Regionalsorten produziert werden können - bisher wird der heimische Senf noch dem überregionalen Gelbsenf beigemischt. Die teilnehmenden Landwirte leisten hier ackerbauliche Pionierarbeit und werden auch 2018 wieder an der Testphase teilnehmen.
Eingangsbild: Einige der teilnehmenden Landwirte aus der Ökomodellregion und Nachbarsgemeinden bei der Begutachtung von Gelbsenf, zweite von links: Karin Huber, Bild von Anne Bogdanski.
Ein Bericht von Hans Eder.