Vortragsabend Klimawandel, Landwirtschaft und Trinkwasser

Das Phänomen des von Menschen gemachten Klimawandels ist in aller Munde. Nur noch wenige bezweifeln öffentlich, dass der Planet Erde sich erwärmt und extreme Wetterereignisse häufiger vorkommen werden. Auf der Staatenebene sei zwar einiges angestoßen, es passiere bislang aber nicht sehr viel zum Schutz des Klimas, selbst die bisher eingegangenen Reduktionsverpflichtungen zu Treibhausgasen, werden nur schleppend umgesetzt. Bisweilen entstehe sogar der Eindruck, dass der Klimawandel eher die unterentwickelten und ärmeren Regionen der Erde treffe. In seinem Vortrag in der Alten Schule in Kirchstein räumte Professor Dr. Heiko Paeth mit diesem Eindruck auf und machte die regionale Dimension der zu erwartenden Klimaänderungen mehr als deutlich. Den Klimamodellen zufolge erwärmt sich der Planet um bis zu 5,4 Grad Celsius an der Erdoberfläche bis zum Jahr 2100, wobei es nicht alle Regionen der Erde gleichermaßen trifft. Die Menschheit wird dies wohl nicht verhindern können, aber sie kann sich anpassen, möglichst ohne das Klima noch weiter zu schädigen. Eine gewisse Eile ist geboten, um die Folgen erträglicher zu gestalten.

Man dürfe keineswegs von dem vor gut einem Jahr beim Klimaschutzgipfel in Paris vereinbarten Ziel abrücken, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. „Bis 2100 müssen wir 90 Prozent der Treibhausgase weg haben.“ Um den Generationenvertrag einzuhalten, sollten bis 2020 rund 36 Prozent der CO₂-Emission (im Vergleich zu 1990) eingespart sein. Tatsächlich sei der Ausstoß in den letzten zehn Jahren aber um 23 Prozent gestiegen.


Dr. Heiko Paeth, Professor für Klimatologie am Institut für Geographie und Geologie der Universität Würzburg während seinem Vortrag in Kirchstein zum Thema: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in Bayern, Bild von ILE.

Um eine Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung des Klimas zu erhalten, sei es notwendig, klimatische Prozesse mithilfe von Modellen abzubilden. Im Unterschied zum Wetterbericht wird hier nicht das Wetter an einem bestimmten Tag in der Zukunft betrachtet, sondern anhand von Annahmen der grundsätzliche Verlauf des Klimas über einen längeren Zeitraum näherungsweise berechnet. Die globalen und regionalen Computer-Modelle berücksichtigen verschiedener Szenarien für den zukünftigen Ausstoß von Treibhausgasen und projizieren das Zukunftsklima nicht nur auf der Welt- sondern auch auf der Deutschlandkarte. Dafür wurde Deutschland in zehn mal zehn Kilometer kleine Kästchen eingeteilt und für jedes dieser Quadrate mithilfe von Gleichungen das Klima berechnet. Anhand der Modelle entsteht eine ganze Spannweite an denkbaren Zukunftsbildern, mit denen sich Paeth als Klimaforscher beschäftigt.

Eines dieser Zukunftsbilder zeigt die großen Auswirkungen auf den Weinbau in Franken. Zurückliegende Hitzejahre wie beispielsweise 2009 oder 2013 können Unterfranken zu einem „Hotspot des Klimawandels“ machen.

Treffen wird es aber auch die ohnehin schon stark berührte Alpenregion, die sich um bis zu 7,5 Grad Celsius erwärmen werde, während es den Küstenregionen weniger stark zusetze. Ein moderater Temperaturanstieg im Winter führe zu weniger Schneefall, daher werde man sich langfristig wohl vom Skifahren als Geschäftsmodell verabschieden müssen. Dem Forscher bereitet aber vor allem der Sommer große Sorgen. Extrem trockene Phasen im Sommer nehmen ebenso zu wie die Tage mit Starkregen.

Die Landwirtschaft spüre dies sehr deutlich. Die Vegetationsperiode verlängere sich um rund zwei Monate. Der sogenannte phänologische Frühling, also der Zeitpunkt, zu dem die Pflanzen zu blühen und Blätter zu bilden beginnen, trete früher ein. Die Wachstumsperiode könne sich um bis zu drei Monate verlängern. Dies sei zum Beispiel ein Problem für die Triebe an Weinstöcken, die von später eintretenden Frösten ruiniert werden, was zu Ernteausfällen führt.

„Man wird sich auch zur Trinkwasserversorgung Gedanken machen müssen“. Die Tendenz: Niederschläge gehen zwar insgesamt zurück, doch wenn es regnet, dann im Extremfall so stark, dass es zur Katastrophe führt. Denn der Klimawandel beschleunige den irdischen Wasserkreislauf. Dies wiederum verändere die Niederschlagsmuster und verstärke die Ungleichheiten in der globalen Wasserversorgung: Trockene Regionen würden noch trockener, und in ohnehin schon wasserreichen Gebieten nähmen Starkregen und Überschwemmungen stärker zu.

Mögliche Auswirkungen spürten zuallererst die Landwirte, Obsterzeuger, Weinbauern, Gärtner und Waldbauern. Zielführend zum Schutz des Klimas sei die Zwei-Grad-Grenze. „Wenn wir auf die hinauswollen, haben wir noch Spielraum.“ Mit der heutigen Technologie sei dies durchaus zu erreichen. Individueller Klimaschutz bedeute sparsamen, biologischen und nachhaltigen Konsum; ethische und ökologisch sinnvolle Geldanlagen; Strombezug aus erneuerbaren Energien; heimatnahe Urlaube und Verzicht auf Fliegen und Kreuzfahrten; fleischarme, biologische, regionale und saisonale Ernährung, Senken des Heizenergieverbrauchs (der gerade in den Alpenregionen sehr hoch ist) sowie sparsamer Einsatz von Autos.

Als Leiter des kommunalen Zweckverbandes zur Wasserversorgung „Achengruppe“ erinnerte Wolfgang Grösch daran, dass der Mensch bei seiner Wasserversorgung auf eine gute Wasserqualität und eine ausreichende Grundwassermenge angewiesen ist. Noch herrsche im Gebiet der Achengruppe uneingeschränkte Versorgungssicherheit. 92 Prozent des Trinkwassers in Bayern gewinne man aus Grundwasser, „das heißt, dass natürlich gefiltertes Wasser aus den Leitungen strömt.“ Oberflächennahe Grundwasservorkommen, insbesondere Quellen, die relativ schnell auf versickernde Niederschläge reagieren, führten vor allem in den regenarmen Sommermonaten 2015 und auch zum Teil noch in den Herbst- und Wintermonaten sehr wenig Wasser. „Die Pegel der Brunnen in Ollerding sind in den letzten 13 Messjahren um rund zwei Meter zurückgegangen.“ Diese Tatsache bemerkten auch private Nutzer von Grundwasserwärmepumpen und Landwirte, die ihr Vieh aus privaten Brunnen tränken. Generell könne man sagen, dass in den Wintermonaten 2015/16 historisch niedrige Grundwasserstände gemessen wurden.


Der Werkleiter der Wasserversorgung Achengruppe, Wolfgang Grösch referiert über die Themen Trinkwasserversorgung und Klimawandel, Bild von ILE.

Der Vortragsabend mit anschließender Diskussion wurde von Alexandra Huber organisiert. Sie ist die Umsetzungsbegleitung der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel (kurz: ILE). Sie hat ihr Büro in Kirchanschöring und koordiniert die einzelnen Projekte und Arbeitsgruppen der ILE.

Wie Kirchanschörings Bürgermeister Hans-Jörg Birner und Vorstandssprecher der ILE in seinem Grußwort mitteilte, haben sich in der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel die Kommunen Fridolfing, Kirchanschöring, Petting, Taching am See und Wonneberg sowie der Markt Waging am See und die Stadt Tittmoning zu einer interkommunalen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Diese Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit, unter anderem im Handlungsfeld „Wasser“, soll eine nachhaltige und ganzheitlich angelegte Zukunftsentwicklung der Region ermöglichen. Die Vorträge von Paeth und Grösch sollten zum Tag des Wassers, der Ende März begangen wurde, einen Brückenschlag zwischen den Themenfeldern Klimawandel, Wasser und Landwirtschaft herstellen.

Die vielen Zuhörer im Saal der Alten Schule fanden die Aussagen von Professor Dr. Heiko Paeth alles andere als beruhigend und stellten viele Fragen.

Agrarfachberater Franz Knogler machte zum Beispiel deutlich, dass die Grundwasserneubildung in der Gegend noch ganz gut funktioniere, dies könne sich bei Starkregenfällen aber sehr schnell ändern. Dass beim Klimawandel sehr viele Faktoren eine Rolle spielen, müsse man der Gesellschaft nahe bringen: Jede Steigerung des Komforts sei kontraproduktiv für den Klimaschutz. Verzögertes Abfließen von Regenwasser sei das Thema, das man aktuell am Waginger See bearbeite. „50 Jahre hat man die Landschaft auf Durchzug geschaltet, daher dauert die Rückführung wohl seine Zeit“, meinte Knogler.

Heiko Paeth erinnerte an das sogenannte „B1-Emmisionszenario“, das ab Mitte des 21.Jahrhunderts eine zunächst kulminierende und danach rückläufige Weltbevölkerung mit raschen Änderungen der wirtschaftlichen Strukturen in Richtung Informationsgesellschaft mit sich bringt. Dabei setzt man unter anderem auch auf das Einführen von sauberen und ressourcen-effizienten Techniken. „Dies sei wohl das Szenario in dem wir leben wollen.“ Ohne Sanktionen gehe es aber vermutlich nicht, so Paeth.

Neben den naturnah ausgebauten, kleinen Bächen komme auch den natürlichen CO₂-Speichern eine besondere Bedeutung zu: Bis 2020 sollen deshalb bayernweit 50 Moore wieder vernässt werden. Seit 2008 wurden mit rund 9 Mio. Euro bereits zehn Moorgebiete saniert, in 30 weiteren Gebieten seien Maßnahmen geplant oder schon begonnen. Durch die Renaturierung von Mooren werde in Bayern schon ein positiver Klimaeffekt von jährlich 25.000 Tonnen CO₂ erreicht, erinnerte Diplom- Ingenieurin Bärbel Gänzle an das „Klimaschutzprogramm Bayern 2050“, das eine Vielzahl von Maßnahmen enthält.

Mit diesem aufgelegten Programm will die Bayerische Staatsregierung auf die Klimaentwicklung reagieren, weil es Bayern besonders schwer treffen werde. Das Programm sieht eine Intensivierung der Klimaforschung, den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit in der Wissenschaft und in Klimaschutzprojekten sowie eine „klimapolitischen Informations- und Überzeugungsoffensive“ vor. Bis 2050 sollen die bayerischen Kohlendioxid-Emissionen pro Kopf und Jahr von derzeit über sechs auf unter zwei Tonnen sinken.

Die Renaturierung von Mooren ist also eines von vielen Puzzleteilen, das zum Klimaschutz beiträgt. Daher wolle die untere Naturschutzbehörde, in deren Auftrag Bärbel Gänzle tätig ist, einen großen Teil des rund 65 Hektar großen Gebiets vom Waginger Weitmoos in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Denn dann funktioniere es wie ein großes natürliches Regenrückhaltebecken. Dafür brauche man aber die Grundstücke, die sich im Eigentum von Landwirten befänden. Die Flächen werden bislang unterschiedlich genutzt: Während Teile davon mit Fichten und Kiefern bewaldet sind, liegen einige völlig brach oder werden als grüne Wiesen intensiv bewirtschaftet. Wichtige Teile der großzügig staatlich subventionierten Maßnahmen, die der Freistaat in Angriff nehmen wolle, seien, das Verschließen von vielen Gräben und das Auflichten des Fichtenbestandes. Gelinge es, binde man damit 15 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar und Jahr.

Der Umwelt zuliebe sollten Hobbygärtner auf Gartenerde mit Torf verzichten. Die Gewinnung von Torf trage zum Zerstören der Moore bei, bei der auch seltene Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum verlieren. Torf binde außerdem große Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan, das beim Torfabbau freigesetzt wird und in die Atmosphäre gelangt, betonte Dr. Ute Künkele. Die Alternative sei eine gute Komposterde, die den Pflanzen Nährstoffe liefert.

Dass Deutschland ein Defizit an Wasser hat, obwohl es in einem der wasserreichen Region der Erde liegt, meinte Dr. Josef Heringer: Nicht umsonst halte sich die „Veolia GmbH“ so gerne in Alpennähe auf und strecke ihre Finger nach den öffentlichen Wasserversorgern aus. Der Leiter des kommunalen Zweckverbandes zur Trinkwasserversorgung „Achengruppe“, Wolfgang Grösch, betonte: „Deshalb müssen wir höllisch aufpassen, dass die Wasserversorgung der Bevölkerung in öffentlicher Hand bleibt.“ Grösch bestätigte zudem, dass die Produktion von Gütern (wie etwa Autos) das meiste Wasser verschlinge.

Josef Heringer erinnerte dann an die Windhose, der letztes Jahr fast punktuell über Saaldorf-Surheim/ Triebenbach hinweg fegte. Diese zerstörerische Tornado-Erscheinung sei sehr auffällig gewesen und übertreffe alle bisherigen Windhosen in dieser Gegend. Müsse man denn nun öfter mit diesen starken Stürmen rechnen, erkundigte er sich.

„Wir wissen nicht, ob es diese Hurrikans auch schon vor 20 Jahren gegeben hat“, erwiderte Klimaforscher Paeth. Mit zunehmender Wärme könnten es theoretisch noch mehr werden.

Eine Zuhörerin forderte, virtuelles Wasser ebenso zu deklarieren wie zum Beispiel die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Sie fand es auch gut, dass mit Paeth „mal jemand gekommen ist, der fachlich kompetent direkt vor Ort informiert“.

Diesem Lob aus der Zuhörerschaft schloss sich auch Tachings Bürgermeisterin und Vorstandssprecherin der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel, Ursula Haas, an. Haas würdigte zudem die beiden Zweckverbände zur Wasserversorgung „Achengruppe“ und die Otting-Pallinger-Gruppe für die geleistete Arbeit. Als kleines Dankeschön überreichte Ursula Haas dann gemeinsam mit Alexandra Huber dem Klimaforscher und Wolfgang Grösch, Werkleiter der Achengruppe, einen Geschenkkorb mit Produkten aus der Ökomodellregion.


Tachings Bürgermeisterin und Vorstandssprecherin der ILE Ursula Haas (2.v.links) und Alexandra Huber (ILE-Umsetzungsbegleitung, 1.v.links) übergeben die Ökomodellregions-Geschenkkörbe an die beiden Referenten, Prof. Paeth (3. von links) und Wolfgang Grösch (Werkleiter der Wasserversorgung Achengruppe, rechts im Bild), Bild von Anneliese Caruso.

Haas und Grösch leiten die Arbeitsgruppe „Wasser“ der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel (kurz: ILE).  Alexandra Huber ist die Umsetzungsbegleitung der ILE. Sie hat ihr Büro in Kirchanschöring und koordiniert die einzelnen Projekte zur Umsetzung des Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepts.

In der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel haben sich die Kommunen Fridolfing, Kirchanschöring, Petting, Taching am See und Wonneberg sowie der Markt Waging am See und die Stadt Tittmoning zu einer interkommunalen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Diese Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit u.a. im Handlungsfeld „Wasser“ soll eine nachhaltige und ganzheitlich angelegte Zukunftsentwicklung der Region ermöglichen.

Klimaforscher Heiko Paeth:
Heiko Paeth wurde 1970 in Neunkirchen geboren. Nach dem Studium der Geographie an der Universität Bonn hat er an eben dieser Universität im Bereich Meteorologie promoviert und habilitiert. Seit 2006 ist er Professor für Klimatologie am Institut für Geographie und Geologie der Universität Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Klimaänderungsforschung, Klimamodellierung, Geostatistik und Klimafolgenforschung.

Afrikabezug: Heiko Paeth befasst sich seit seiner Habilitation mit Themen des Klimawandels und der Klimavorhersagbarkeit in Afrika. Regional liegt sein Fokus auf dem subsaharischen Afrika, insbesondere dem tropischen Westafrika. Neun Jahre lang hat er im GLOWA-IMPETUS-Projekt mitgearbeitet, bei dem die Wasserressourcen in ausgesuchten Flusseinzugsgebieten im Mittelpunkt standen. Der regionale Schwerpunkt lag dabei auf Benin und Marokko. Gegenwärtig leitet Heiko Paeth einen Forschungsverbund im Rahmen des MiKlip-Projektes, der sich der dekadischen Vorhersagbarkeit des westafrikanischen Monsuns widmet.

Ein Bericht von Anneliese Caruso.

Eingangsbild: Der Professor für Klimatologie Dr. Heiko Paeth während seinem Vortrag zum Klimawandel in der Alten Schule in Kirchstein, Bild von ILE.

Wälder mit Schutzfunktion für den Waginger See

Was hat ein Wald in Wonneberg mit dem Schutz des Waginger Sees zu tun? Bei einem Waldbegang in der Ökomodellregion erläuterte Förster Max Poschner  gemeinsam mit Leonhard Strasser (Agrarbündnis) und Hans Praxenthaler (Arbeitsgemeinschaft naturgemäßer Waldbau), wie z.B. der Schutzwaldstreifen am  Panolsgraben in Wonneberg so bewirtschaftet werden kann, dass er seine Schutzfunktion für den Seezubringer als Nährstoffrückhalt und Wasserspeicher  auch in Zukunft erfüllen kann.

Das eher lockere Molassegestein im Untergrund ist die Hauptursache, warum sich Gräben wie der Dobelgraben, Lohbach oder Ramgraben seit Jahrhunderten tief ins Gelände eingraben und die Landschaft im Seeneinzugsgebiet mit geformt haben. Das Gelände an beiden Seiten der Gräben ist so steil geworden, dass der Wald darauf schwer zu bewirtschaften ist. Eine vielfältige und möglichst naturnahe Artenzusammensetzung ist für diese Schutzwaldstreifen besonders wichtig, sonst wird die dünne und lockere Humusschicht als Grundlage des Waldbodens in den Dobelbach geschwemmt und landet bald im See. „Wir brauchen die Nährstoffe aus dem Humus dringend für ein gesundes Wachstum unserer Bäume und nicht im See, wo sie nur die Algen wachsen lassen“, so Förster Max Poschner, der eine Karte zu den Schutzwäldern im Seeneinzugsgebiet vorstellte. Den wichtigsten Beitrag zur Stabilisierung des Waldbodens leisten in diesem Fall Nadelbäume und besonders die Tanne, weil ihre Pfahlwurzel den Boden auch dort festhalten kann, wo dies flachwurzelnde Arten wie die Fichte nicht mehr schaffen. Noch dazu setzen steigende Jahresdurchschnittstemperaturen und ausgeprägte Trockenheitsphasen der Fichte immer stärker zu. An steilen Stellen ist auch ein reiner Buchenwald nachteilig, denn der lockere Blatthumus aus dem Buchenwald gerät leichter ins Rutschen als der Boden in einem möglichst vielfältigen Mischwald mit seinen verschiedenen Wurzeltiefen.


Durch das lockere Molassegestein im Untergrund haben sich die Gräben tief ins Gelände eingraben und die Landschaft im Seeneinzugsgebiet geformt. Das Gelände an beiden Seiten der Gräben ist so steil geworden, dass der Wald darauf schwer zu bewirtschaften ist. Eine vielfältige und möglichst naturnahe Artenzusammensetzung ist für diese Schutzwaldstreifen besonders wichtig, Bild von Stefan Strasser.

Anhand eines markanten Hangstücks, das erst seit wenigen Jahren intensiv bejagt wird, erläuterte Leonhard Strasser die Bedeutung einer Regulierung des Wildbestands: Zwischen hohen alten Kronenbäumen und dem gleichmäßigen Jungwaldbestand aus jüngster Zeit gibt es keine Zwischenstufen im Baumbestand, d.h. eine Naturverjüngung hatte es bis dahin nicht gegeben, der Weiterbestand des Schutzwaldes war in Frage gestellt. Eine ausreichende Bejagung ist im Waldgesetz vorgeschrieben und für einen naturnahen Waldumbau unerlässlich, darauf wies Leonhard Strasser als Mitorganisator und als Bewirtschafter dieses Waldstücks hin.

Wo soll man als Waldbesitzer in den Bestand eingreifen und wo der Natur freien Lauf lassen? Hans Praxenthaler plädierte dafür, von der Natur zu lernen und mit ihr zu arbeiten statt gegen sie. Auch früher unerwünschte Baumarten wie die Birke, eine Kirsche oder andere Laubholzarten tragen zu einem vielfältigen und strukturreichen Bestand bei und erfüllen Funktionen im Ökosystem, die wir nicht alle kennen. Bei der Stärkung und Pflege des Mischwaldes zählt vor allem, was der Waldbesitzer haben will: So kann er sich einzelne Edellaubstämme zum Verkaufen ziehen oder auch einmal der raren Fichte im steilen Buchenbestand bei der Durchsetzung helfen. Unregelmäßiges Auflichten im Waldbestand bringt Licht in den Boden und hilft einer stabilen Naturverjüngung – „Waldwirtschaft ist ein Spiel mit Licht und Schatten“, so Praxenthaler, selbst Waldbauer mit Leib und Seele. Ein strukturreicher Wald mit jungen und alten Bäumen im Mischbestand sorgt nebenbei für eine hohe Artenvielfalt und niedrigeren Schädlingsdruck im Wald.

Wo der Hang schon an einzelnen Stellen ins Rutschen geraten ist, kann es hilfreich sein, einen größeren Laubbaum am Rand zu fällen und liegen zu lassen, um den Abriss zu stabilisieren, schlug Förster Poschner vor.

Dreißig interessierte Teilnehmer waren trotz heftigen Regens der Einladung der Ökomodellregion gefolgt und diskutierten im Anschluss rege. Die Abflusssituation an den Gräben hat sich anders als vor wenigen Jahrzehnten bei starkem Regen dramatisch verschärft. Während das Wasser in den Wonneberger Tobeln früher stärker mäandern konnte, die Wassermengen bei Regen langsamer eintrafen und das Wasser klarer blieb, zeigt sich die fortschreitende Versiegelung  unserer Landschaft in extrem beschleunigten Abflüssen im Gewässer und, dadurch bedingt, erhöhter Erosion. Auch die Fischwelt wird stark beeinträchtigt. Bürgermeister Martin Fenninger aus Wonneberg würde sich an manchen Stellen deshalb einen stärkeren Rückhalt für Bäche und Tobel mit Augenmaß als Schutz vor Erosion wünschen. Das Wasserwirtschaftsamt sehe solche Aktivitäten allerdings kritisch. Einig waren sich die Teilnehmer darüber, wie wichtig es wäre, wieder mehr Wasser in der Landschaft zurückzuhalten, ehe die Abflüsse im Graben landen – doch bisher weisen alle Tendenzen in die gegenteilige Richtung, ob bei der Versiegelung oder auch der zunehmenden Bodenverdichtung.


Um die 30 Teilnehmer waren trotz Regen der Einladung der Ökomodellregion gefolgt und informierten sich über die Schutzfunktion der Wälder, Bild von Stefan Strasser.

Einer Verdichtung von Waldböden kann durch eine sinnvolle Kombination aus  unterschiedlichen Bringmethoden begegnet werden, das verringert die Anzahl der Rückegassen und schont den Waldboden – nicht nur in der Landwirtschaft, auch im Wald  ist der Schutz vor Verdichtung ein wichtiger Faktor. Der Waldbegang zeigte, wieviele Faktoren bei einer nachhaltigen Waldwirtschaft zu beachten sind  und welches Potential ein naturnah bewirtschafteter Wald für den Schutz des Waginger Sees langfristig bietet.

Die Gemeinden der Ökomodellregion haben sich freiwillig verpflichtet, den naturnahen Waldbau auf kommunalen Waldflächen zu unterstützen, auch um ihrer Vorbildfunktion für private Waldbesitzer gerecht zu werden – und sie haben sich verpflichtet, der Innenentwicklung vor der Außenentwicklung den Vorrang zu geben, wo dies möglich und sinnvoll ist, um weitere Versiegelung zu bremsen.

Ein Bericht von Hans Eder.

Eingangsbild: Hans Praxenthaler von der Arbeitsgemeinschaft naturgemäßer Waldbau war einer der Referenten bei der Waldbegehung der Ökomodellregion, Bild von Stefan Strasser.

Die Seenberatung am Waginger und Tachinger See

Mit der seit dem Jahr 2000 geltenden Wasserrahmenrichtlinie hat die Europäische Union in all ihren Mitgliedsstaaten einheitliche Umweltziele für den Schutz von Grund- und Oberflächenwasser aufgestellt. So wurde eine rechtliche Grundlage dafür geschaffen, wie Wasser auf hohem Niveau zu schützen ist. Mit der Richtlinie wird die ökologische Funktionsfähigkeit der Gewässer in den Mittelpunkt gestellt. Als Hauptziel wird angestrebt, dass Grund- und Oberflächenwasser nach Möglichkeit bis 2015 - spätestens bis 2027 - den guten Zustand erreichen. Ein bereits jetzt erreichter sehr guter oder guter Zustand ist zu erhalten. Als Referenzmerkmale gelten vor allem die Vielfalt an Flora und Faua in den Gewässern und die natürliche Qualität des Oberflächen- und Grundwassers.
Grundsätzlich gilt bezüglich des Zustands der Gewässer sowohl ein Verbesserungsgebot als auch ein Verschlechterungsverbot.

Der Waginger See hat den guten Gewässerzustand nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie bisher noch nicht erreicht. Grund dafür sind zu hohe Phosphoreinträge, die auch aus der Landwirtschaft kommen. Dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Traunstein stehen deshalb drei Seenberater zur Verfügung, die die Landwirte im Seeneinzugsgebiet des Waginger- und Tachinger Sees intensiv zu einer ganzen Palette von Themen zum Seenschutz beraten:

  • notwendige Güllelagerkapazität
  • optimale Ausbringung von Wirtschaftsdüngern unter Berücksichtigung der Bodenuntersuchungsergebnisse
  • Erstellung von Hof-Tor-Bilanzen
  • Optimierung der Produktionstechnik im planzlichen und tierischen Bereich zur Verringerung der Nährstofffrachten
  • Einhaltung von ausreichenden Abständen bei Düngung und Pflanzenschutz im Bereich des Pflanzenschutzes zu Gewässern
  • Beratung zu Fördermaßnahmen zur Gewässerreinhaltung und zu Rückhaltemaßnahmen (Drainagen, Silosickersaft-Auffangbehälter)
  • Beratung zum Bayerischen Kulturlandschaftsprogramm
  • Beratung zur Umstellung auf ökologischen Landbau

Weitere Informationen>

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