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Vortragsabend Klimawandel, Landwirtschaft und Trinkwasser

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Das Phänomen des von Menschen gemachten Klimawandels ist in aller Munde. Nur noch wenige bezweifeln öffentlich, dass der Planet Erde sich erwärmt und extreme Wetterereignisse häufiger vorkommen werden. Auf der Staatenebene sei zwar einiges angestoßen, es passiere bislang aber nicht sehr viel zum Schutz des Klimas, selbst die bisher eingegangenen Reduktionsverpflichtungen zu Treibhausgasen, werden nur schleppend umgesetzt. Bisweilen entstehe sogar der Eindruck, dass der Klimawandel eher die unterentwickelten und ärmeren Regionen der Erde treffe. In seinem Vortrag in der Alten Schule in Kirchstein räumte Professor Dr. Heiko Paeth mit diesem Eindruck auf und machte die regionale Dimension der zu erwartenden Klimaänderungen mehr als deutlich. Den Klimamodellen zufolge erwärmt sich der Planet um bis zu 5,4 Grad Celsius an der Erdoberfläche bis zum Jahr 2100, wobei es nicht alle Regionen der Erde gleichermaßen trifft. Die Menschheit wird dies wohl nicht verhindern können, aber sie kann sich anpassen, möglichst ohne das Klima noch weiter zu schädigen. Eine gewisse Eile ist geboten, um die Folgen erträglicher zu gestalten.

Man dürfe keineswegs von dem vor gut einem Jahr beim Klimaschutzgipfel in Paris vereinbarten Ziel abrücken, die Erderwärmung unter zwei Grad zu halten. „Bis 2100 müssen wir 90 Prozent der Treibhausgase weg haben.“ Um den Generationenvertrag einzuhalten, sollten bis 2020 rund 36 Prozent der CO₂-Emission (im Vergleich zu 1990) eingespart sein. Tatsächlich sei der Ausstoß in den letzten zehn Jahren aber um 23 Prozent gestiegen.


Dr. Heiko Paeth, Professor für Klimatologie am Institut für Geographie und Geologie der Universität Würzburg während seinem Vortrag in Kirchstein zum Thema: Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft in Bayern, Bild von ILE.

Um eine Vorstellung von der zukünftigen Entwicklung des Klimas zu erhalten, sei es notwendig, klimatische Prozesse mithilfe von Modellen abzubilden. Im Unterschied zum Wetterbericht wird hier nicht das Wetter an einem bestimmten Tag in der Zukunft betrachtet, sondern anhand von Annahmen der grundsätzliche Verlauf des Klimas über einen längeren Zeitraum näherungsweise berechnet. Die globalen und regionalen Computer-Modelle berücksichtigen verschiedener Szenarien für den zukünftigen Ausstoß von Treibhausgasen und projizieren das Zukunftsklima nicht nur auf der Welt- sondern auch auf der Deutschlandkarte. Dafür wurde Deutschland in zehn mal zehn Kilometer kleine Kästchen eingeteilt und für jedes dieser Quadrate mithilfe von Gleichungen das Klima berechnet. Anhand der Modelle entsteht eine ganze Spannweite an denkbaren Zukunftsbildern, mit denen sich Paeth als Klimaforscher beschäftigt.

Eines dieser Zukunftsbilder zeigt die großen Auswirkungen auf den Weinbau in Franken. Zurückliegende Hitzejahre wie beispielsweise 2009 oder 2013 können Unterfranken zu einem „Hotspot des Klimawandels“ machen.

Treffen wird es aber auch die ohnehin schon stark berührte Alpenregion, die sich um bis zu 7,5 Grad Celsius erwärmen werde, während es den Küstenregionen weniger stark zusetze. Ein moderater Temperaturanstieg im Winter führe zu weniger Schneefall, daher werde man sich langfristig wohl vom Skifahren als Geschäftsmodell verabschieden müssen. Dem Forscher bereitet aber vor allem der Sommer große Sorgen. Extrem trockene Phasen im Sommer nehmen ebenso zu wie die Tage mit Starkregen.

Die Landwirtschaft spüre dies sehr deutlich. Die Vegetationsperiode verlängere sich um rund zwei Monate. Der sogenannte phänologische Frühling, also der Zeitpunkt, zu dem die Pflanzen zu blühen und Blätter zu bilden beginnen, trete früher ein. Die Wachstumsperiode könne sich um bis zu drei Monate verlängern. Dies sei zum Beispiel ein Problem für die Triebe an Weinstöcken, die von später eintretenden Frösten ruiniert werden, was zu Ernteausfällen führt.

„Man wird sich auch zur Trinkwasserversorgung Gedanken machen müssen“. Die Tendenz: Niederschläge gehen zwar insgesamt zurück, doch wenn es regnet, dann im Extremfall so stark, dass es zur Katastrophe führt. Denn der Klimawandel beschleunige den irdischen Wasserkreislauf. Dies wiederum verändere die Niederschlagsmuster und verstärke die Ungleichheiten in der globalen Wasserversorgung: Trockene Regionen würden noch trockener, und in ohnehin schon wasserreichen Gebieten nähmen Starkregen und Überschwemmungen stärker zu.

Mögliche Auswirkungen spürten zuallererst die Landwirte, Obsterzeuger, Weinbauern, Gärtner und Waldbauern. Zielführend zum Schutz des Klimas sei die Zwei-Grad-Grenze. „Wenn wir auf die hinauswollen, haben wir noch Spielraum.“ Mit der heutigen Technologie sei dies durchaus zu erreichen. Individueller Klimaschutz bedeute sparsamen, biologischen und nachhaltigen Konsum; ethische und ökologisch sinnvolle Geldanlagen; Strombezug aus erneuerbaren Energien; heimatnahe Urlaube und Verzicht auf Fliegen und Kreuzfahrten; fleischarme, biologische, regionale und saisonale Ernährung, Senken des Heizenergieverbrauchs (der gerade in den Alpenregionen sehr hoch ist) sowie sparsamer Einsatz von Autos.

Als Leiter des kommunalen Zweckverbandes zur Wasserversorgung „Achengruppe“ erinnerte Wolfgang Grösch daran, dass der Mensch bei seiner Wasserversorgung auf eine gute Wasserqualität und eine ausreichende Grundwassermenge angewiesen ist. Noch herrsche im Gebiet der Achengruppe uneingeschränkte Versorgungssicherheit. 92 Prozent des Trinkwassers in Bayern gewinne man aus Grundwasser, „das heißt, dass natürlich gefiltertes Wasser aus den Leitungen strömt.“ Oberflächennahe Grundwasservorkommen, insbesondere Quellen, die relativ schnell auf versickernde Niederschläge reagieren, führten vor allem in den regenarmen Sommermonaten 2015 und auch zum Teil noch in den Herbst- und Wintermonaten sehr wenig Wasser. „Die Pegel der Brunnen in Ollerding sind in den letzten 13 Messjahren um rund zwei Meter zurückgegangen.“ Diese Tatsache bemerkten auch private Nutzer von Grundwasserwärmepumpen und Landwirte, die ihr Vieh aus privaten Brunnen tränken. Generell könne man sagen, dass in den Wintermonaten 2015/16 historisch niedrige Grundwasserstände gemessen wurden.


Der Werkleiter der Wasserversorgung Achengruppe, Wolfgang Grösch referiert über die Themen Trinkwasserversorgung und Klimawandel, Bild von ILE.

Der Vortragsabend mit anschließender Diskussion wurde von Alexandra Huber organisiert. Sie ist die Umsetzungsbegleitung der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel (kurz: ILE). Sie hat ihr Büro in Kirchanschöring und koordiniert die einzelnen Projekte und Arbeitsgruppen der ILE.

Wie Kirchanschörings Bürgermeister Hans-Jörg Birner und Vorstandssprecher der ILE in seinem Grußwort mitteilte, haben sich in der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel die Kommunen Fridolfing, Kirchanschöring, Petting, Taching am See und Wonneberg sowie der Markt Waging am See und die Stadt Tittmoning zu einer interkommunalen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Diese Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit, unter anderem im Handlungsfeld „Wasser“, soll eine nachhaltige und ganzheitlich angelegte Zukunftsentwicklung der Region ermöglichen. Die Vorträge von Paeth und Grösch sollten zum Tag des Wassers, der Ende März begangen wurde, einen Brückenschlag zwischen den Themenfeldern Klimawandel, Wasser und Landwirtschaft herstellen.

Die vielen Zuhörer im Saal der Alten Schule fanden die Aussagen von Professor Dr. Heiko Paeth alles andere als beruhigend und stellten viele Fragen.

Agrarfachberater Franz Knogler machte zum Beispiel deutlich, dass die Grundwasserneubildung in der Gegend noch ganz gut funktioniere, dies könne sich bei Starkregenfällen aber sehr schnell ändern. Dass beim Klimawandel sehr viele Faktoren eine Rolle spielen, müsse man der Gesellschaft nahe bringen: Jede Steigerung des Komforts sei kontraproduktiv für den Klimaschutz. Verzögertes Abfließen von Regenwasser sei das Thema, das man aktuell am Waginger See bearbeite. „50 Jahre hat man die Landschaft auf Durchzug geschaltet, daher dauert die Rückführung wohl seine Zeit“, meinte Knogler.

Heiko Paeth erinnerte an das sogenannte „B1-Emmisionszenario“, das ab Mitte des 21.Jahrhunderts eine zunächst kulminierende und danach rückläufige Weltbevölkerung mit raschen Änderungen der wirtschaftlichen Strukturen in Richtung Informationsgesellschaft mit sich bringt. Dabei setzt man unter anderem auch auf das Einführen von sauberen und ressourcen-effizienten Techniken. „Dies sei wohl das Szenario in dem wir leben wollen.“ Ohne Sanktionen gehe es aber vermutlich nicht, so Paeth.

Neben den naturnah ausgebauten, kleinen Bächen komme auch den natürlichen CO₂-Speichern eine besondere Bedeutung zu: Bis 2020 sollen deshalb bayernweit 50 Moore wieder vernässt werden. Seit 2008 wurden mit rund 9 Mio. Euro bereits zehn Moorgebiete saniert, in 30 weiteren Gebieten seien Maßnahmen geplant oder schon begonnen. Durch die Renaturierung von Mooren werde in Bayern schon ein positiver Klimaeffekt von jährlich 25.000 Tonnen CO₂ erreicht, erinnerte Diplom- Ingenieurin Bärbel Gänzle an das „Klimaschutzprogramm Bayern 2050“, das eine Vielzahl von Maßnahmen enthält.

Mit diesem aufgelegten Programm will die Bayerische Staatsregierung auf die Klimaentwicklung reagieren, weil es Bayern besonders schwer treffen werde. Das Programm sieht eine Intensivierung der Klimaforschung, den Ausbau der internationalen Zusammenarbeit in der Wissenschaft und in Klimaschutzprojekten sowie eine „klimapolitischen Informations- und Überzeugungsoffensive“ vor. Bis 2050 sollen die bayerischen Kohlendioxid-Emissionen pro Kopf und Jahr von derzeit über sechs auf unter zwei Tonnen sinken.

Die Renaturierung von Mooren ist also eines von vielen Puzzleteilen, das zum Klimaschutz beiträgt. Daher wolle die untere Naturschutzbehörde, in deren Auftrag Bärbel Gänzle tätig ist, einen großen Teil des rund 65 Hektar großen Gebiets vom Waginger Weitmoos in seinen ursprünglichen Zustand zurückversetzen. Denn dann funktioniere es wie ein großes natürliches Regenrückhaltebecken. Dafür brauche man aber die Grundstücke, die sich im Eigentum von Landwirten befänden. Die Flächen werden bislang unterschiedlich genutzt: Während Teile davon mit Fichten und Kiefern bewaldet sind, liegen einige völlig brach oder werden als grüne Wiesen intensiv bewirtschaftet. Wichtige Teile der großzügig staatlich subventionierten Maßnahmen, die der Freistaat in Angriff nehmen wolle, seien, das Verschließen von vielen Gräben und das Auflichten des Fichtenbestandes. Gelinge es, binde man damit 15 Tonnen Kohlendioxid pro Hektar und Jahr.

Der Umwelt zuliebe sollten Hobbygärtner auf Gartenerde mit Torf verzichten. Die Gewinnung von Torf trage zum Zerstören der Moore bei, bei der auch seltene Pflanzen und Tiere ihren Lebensraum verlieren. Torf binde außerdem große Mengen der Treibhausgase Kohlendioxid und Methan, das beim Torfabbau freigesetzt wird und in die Atmosphäre gelangt, betonte Dr. Ute Künkele. Die Alternative sei eine gute Komposterde, die den Pflanzen Nährstoffe liefert.

Dass Deutschland ein Defizit an Wasser hat, obwohl es in einem der wasserreichen Region der Erde liegt, meinte Dr. Josef Heringer: Nicht umsonst halte sich die „Veolia GmbH“ so gerne in Alpennähe auf und strecke ihre Finger nach den öffentlichen Wasserversorgern aus. Der Leiter des kommunalen Zweckverbandes zur Trinkwasserversorgung „Achengruppe“, Wolfgang Grösch, betonte: „Deshalb müssen wir höllisch aufpassen, dass die Wasserversorgung der Bevölkerung in öffentlicher Hand bleibt.“ Grösch bestätigte zudem, dass die Produktion von Gütern (wie etwa Autos) das meiste Wasser verschlinge.

Josef Heringer erinnerte dann an die Windhose, der letztes Jahr fast punktuell über Saaldorf-Surheim/ Triebenbach hinweg fegte. Diese zerstörerische Tornado-Erscheinung sei sehr auffällig gewesen und übertreffe alle bisherigen Windhosen in dieser Gegend. Müsse man denn nun öfter mit diesen starken Stürmen rechnen, erkundigte er sich.

„Wir wissen nicht, ob es diese Hurrikans auch schon vor 20 Jahren gegeben hat“, erwiderte Klimaforscher Paeth. Mit zunehmender Wärme könnten es theoretisch noch mehr werden.

Eine Zuhörerin forderte, virtuelles Wasser ebenso zu deklarieren wie zum Beispiel die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Sie fand es auch gut, dass mit Paeth „mal jemand gekommen ist, der fachlich kompetent direkt vor Ort informiert“.

Diesem Lob aus der Zuhörerschaft schloss sich auch Tachings Bürgermeisterin und Vorstandssprecherin der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel, Ursula Haas, an. Haas würdigte zudem die beiden Zweckverbände zur Wasserversorgung „Achengruppe“ und die Otting-Pallinger-Gruppe für die geleistete Arbeit. Als kleines Dankeschön überreichte Ursula Haas dann gemeinsam mit Alexandra Huber dem Klimaforscher und Wolfgang Grösch, Werkleiter der Achengruppe, einen Geschenkkorb mit Produkten aus der Ökomodellregion.


Tachings Bürgermeisterin und Vorstandssprecherin der ILE Ursula Haas (2.v.links) und Alexandra Huber (ILE-Umsetzungsbegleitung, 1.v.links) übergeben die Ökomodellregions-Geschenkkörbe an die beiden Referenten, Prof. Paeth (3. von links) und Wolfgang Grösch (Werkleiter der Wasserversorgung Achengruppe, rechts im Bild), Bild von Anneliese Caruso.

Haas und Grösch leiten die Arbeitsgruppe „Wasser“ der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel (kurz: ILE).  Alexandra Huber ist die Umsetzungsbegleitung der ILE. Sie hat ihr Büro in Kirchanschöring und koordiniert die einzelnen Projekte zur Umsetzung des Integrierten Ländlichen Entwicklungskonzepts.

In der Integrierten Ländlichen Entwicklung Waginger See – Rupertiwinkel haben sich die Kommunen Fridolfing, Kirchanschöring, Petting, Taching am See und Wonneberg sowie der Markt Waging am See und die Stadt Tittmoning zu einer interkommunalen Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Diese Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit u.a. im Handlungsfeld „Wasser“ soll eine nachhaltige und ganzheitlich angelegte Zukunftsentwicklung der Region ermöglichen.

Klimaforscher Heiko Paeth:
Heiko Paeth wurde 1970 in Neunkirchen geboren. Nach dem Studium der Geographie an der Universität Bonn hat er an eben dieser Universität im Bereich Meteorologie promoviert und habilitiert. Seit 2006 ist er Professor für Klimatologie am Institut für Geographie und Geologie der Universität Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Klimaänderungsforschung, Klimamodellierung, Geostatistik und Klimafolgenforschung.

Afrikabezug: Heiko Paeth befasst sich seit seiner Habilitation mit Themen des Klimawandels und der Klimavorhersagbarkeit in Afrika. Regional liegt sein Fokus auf dem subsaharischen Afrika, insbesondere dem tropischen Westafrika. Neun Jahre lang hat er im GLOWA-IMPETUS-Projekt mitgearbeitet, bei dem die Wasserressourcen in ausgesuchten Flusseinzugsgebieten im Mittelpunkt standen. Der regionale Schwerpunkt lag dabei auf Benin und Marokko. Gegenwärtig leitet Heiko Paeth einen Forschungsverbund im Rahmen des MiKlip-Projektes, der sich der dekadischen Vorhersagbarkeit des westafrikanischen Monsuns widmet.

Ein Bericht von Anneliese Caruso.

Eingangsbild: Der Professor für Klimatologie Dr. Heiko Paeth während seinem Vortrag zum Klimawandel in der Alten Schule in Kirchstein, Bild von ILE.

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