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Auch der Regenwurm braucht Futter

Ökomodellregion bringt Experten und Gartenliebhaber zusammen – Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz Traunstein Beate Rutkowski und Wildbienenexperte Christian Müller referieren

Ein Bericht von Dorothee Englschallinger, erschienen in der Südostbayerische Rundschau vom 06.04.2019

Wie mache ich meinen Garten zum Naturparadies?

Mit dieser Frage hatte die Ökomodellregion Waginger See–Rupertiwinkel ihre Informationsveranstaltung zum Thema Biodiversität im eigenen Garten überschrieben. Mehr als 80 interessierte Gartenbesitzer und Naturfreunde waren der Einladung ins Gasthaus Gruber nach Pietling gefolgt, um sich von den Vorträgen der Kreisvorsitzenden des Bund Naturschutz (BN) Traunstein, Beate Rutkowski, und dem Wildbienenexperten Christian Müller für den heimischen Garten inspirieren zu lassen.

b_150_100_16777215_00_images_BILDER_Oekomodellregion_Oekomodellregion_Regenwurm1.jpgUnter der Moderation von Projektleiterin Marlene Berger-Stöckl (rechts) beantworten Wildbienenexperte Christian Müller und BN-Kreisvorsitzende Beate Rutkowski (Mitte) Fragen zum Thema Artenvielfalt im eigenen Garten. Foto: Dorothee Englschallinger

Marlene Berger-Stöckl moderierte in ihrer Funktion als Projektleiterin der Ökomodellregion Waginger See-Rupertiwinkel durch den Abend. Einleitend stellte sie fest, dass „es nicht mehr selbstverständlich ist, dass jeder etwas für Bienen im Garten tut“. Sie riet, den Garten nicht ausschließlich für die eigene Ernährung zu nutzen, sondern Rückzugsmöglichkeiten und Blütenangebote für Tiere und Insekten zu schaffen. „Kies, Pflaster, Deko - viele Gärten sehen heute so aus“, wünschte sich Berger-Stöckl die Umkehrung dieses Trends.

Dieser Meinung schloss sich Referentin Beate Rutkowski in ihrem Vortrag über die biologische Vielfalt über und unter der Erde im „Lebensraum Garten“ an. Statt Thujenhecken und Einheitsrasen sei es viel schöner, etwas für die Artenvielfalt zu tun.

Ein eigener Garten ist ein Privileg

Schließlich „tragen wir mit unseren Gärten ein Stück weit Verantwortung“, folgerte die Diplom-Biologin aus der bis zum Jahr 2050 prognostizierten Weltbevölkerung von zehn Millionen Menschen. Da sei der Besitz eines eigenen Gartens „ein Privileg“. Blindschleichen seien heute bereits eine Seltenheit und Libellen fänden in der freien Natur wenig Lebensraum, bezog sich Rutkowski auf viele in Deutschland auf der „Roten Liste“ stehenden Arten, welche in ihrem Bestand gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht sind.

Wenn bereits im April ein Großteil der Wiesen abgemäht sei, könne der heimische Garten zum Rückzugs- und Fortpflanzungsraum vieler Insekten und Tiere dienen. Als wichtige Voraussetzungen nannte die BN-Kreisvorsitzende den Verzicht auf sämtliche chemische Mittel sowie eine reiche Pflanzen- und Strukturvielfalt im Garten. Lange Blühzeiten von März bis Oktober locken Bienen und Hummeln an. Als Beispiel zur Strukturvielfalt erwähnte Rutkowski kleine Haufen an Totholz, da 70 Prozent der Arten, die auf Totholz angewiesen seien, auf der „Roten Liste“ stünden.

Um einen Nährstoffkreislauf im Garten zu schaffen, gab Beate Rutkowski den Naturliebhabern den Tipp, „auch mal etwas liegen zu lassen“. Säckeweise werde das Herbstlaub zum Wertstoffhof gefahren, obwohl die verrottenden Blätter auf offenen Bodenflächen unter Rosen oder Sträuchern optimal zum Mulchen dienen könnten. Positiver Nebeneffekt sei die Ansiedlung von Vögeln und Igeln im Garten sowie ein guter Start im Frühjahr durch die wichtigen Nährstoffe des Laubes.

b_150_100_16777215_00_images_BILDER_Oekomodellregion_Oekomodellregion_Regenwurm2.jpgIn ihrem Vortrag „Biologische Vielfalt im eigenen Garten“ berichtet BN-Kreisvorsitzende Beate Rutkowski zum Thema Artenvielfalt aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung. Foto: Engschallinger

Sodann kam die erfahrende BN-Kreisvorsitzende auf die Artenvielfalt unter der Erde zu sprechen. „In einer Hand voll Boden leben mehr Lebewesen als Menschen auf der Erde“, machte Rutkowski auf die unbekannte Zahl an Mikroorganismen im Boden aufmerksam. Jeder füttere Hund, Katze, Pferd oder Kuh, aber nicht seine Regenwürmer, appellierte die naturverbundene Biologin zur „Schließung“ des Bodens, da Regenwürmer sonst nicht leben könnten. Dabei sei der Regenwurmkot ein enorm kalihaltiger Ton-Humus-Komplex, welcher als „bester Humus, bester Boden und bester Dünger“ den Garten anreichere. Da die 34 bekannten Regenwurmarten in verschiedenen Erdschichten leben, sei das Umgraben des Bodens überflüssig, riet Rutkowski zum Auflockern der obersten Erdschicht durch Grubbern. Neben dem Regenwurm trügen auch Asseln, Hundert- und Tausendfüßler zum Nährstoffkreislauf durch Humusbildung bei.

Maulwurfhügel sinnvoll nutzen

Ein Zeichen dafür, „dass man im Garten alles richtig gemacht hat“, seien die Anwesenheit von Maulwurf und Fledermaus. Statt sich über die Erdhaufen des Insekten- und Würmer- fressenden Maulwurfs aufzuregen, könnte der kluge Gärtner den aufgeworfenen Boden als wertvolle Erde in Pflanzkübeln verwenden. Die Fledermaus könne laut Rutkowski nur überleben, wenn ein Reichtum an Insekten im Garten vorhanden sei, da die Fledermaus pro Nacht die Hälfte ihres eigenen Gewichts an Insektenmenge vertilgt.

b_150_100_16777215_00_images_BILDER_Oekomodellregion_Oekomodellregion_Regenwurm3.jpgWildbienenexperte und Imker Christian Müller informiert die interessieren Gartenbesitzer über die Rolle der Wildbienen in der Natur und was man im eigenen Garten für sie tun kann. Foto: Romstötter.

Welche Rolle Wildbienen in der Natur spielen und was Naturfreunde für sie tun können, brachte den interessierten Gartenbesitzern Wildbienenexperte und Imker Christian Müller näher. Mit einem aus Presseberichten bekannt gewordenen Foto von Menschen, die in China die Bestäubung der Bäume übernehmen, erläuterte Müller die unersetzbare Bedeutung der Bienen. Achtzig Prozent der Pflanzen seien auf Fremdbestäubung durch Honig- und Wildbienen angewiesen. Durch Monokulturen und den Einsatz von Chemie fänden Bienen keine Nahrung mehr, machte Müller auf die Gefährdung der in Deutschland rund 570 lebenden Wildbienenarten aufmerksam. Die drastischen Folgen machte der Wildbienenexperte mittels eines Vergleichsfotos der Obst- und Gemüseabteilung eines Supermarktes – auf der einen Seite „mit Bienen“ prall gefüllt und auf der anderen Seite „ohne Bienen“ fast leer – deutlich.

Angebot an Nahrung und Brutplätzen für Wildbienen schaffen

Gartenbesitzer könnten Wildbienen durch ein Angebot an Nahrung, Nistmaterial und eines geeigneten Nistplatzes eine Heimat geben, war Christian Müller sich sicher. Zwar nisten 75 Prozent der Wildbienen im Boden, dennoch zeige das von ihm entwickelte Insektenhotel mit austauschbaren Nistplatten gute Erfolge als Nistmöglichkeit für die Generalisten unter den Wildbienen im eigenen Garten. In Baumärkten angebotene Insektenhotels würden häufig zu große Röhrchen und zu harte Materialien verwenden, was den Parasitenbefall wahrscheinlicher mache, sodass sich spätestens nach zwei Jahren „nichts mehr rührt“, informierte Müller. Zwar sei er sich der Sache bewusst, dass die Wildbienen durch seine Nistkästen nicht gerettet werden, „aber die Leute beschäftigen sich damit, sehen ihren Bienen zu und machen Blühangebote im Garten“.

Marlene Berger-Stöckl bedankte sich seitens der Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel bei beiden Referenten für den fundierten Bericht aus ihrem reichen Erfahrungsschatz. Anschließende Fragen aus dem Publikum über ein zunehmende die nächtliche Flugbahn der Insekten beeinträchtigende Lichtverschmutzung oder die Bodenvorbereitung für Blühstreifen beantworteten die Referenten ausführlich. Als Fazit des Informationsabends bestand Einigkeit, dass Biodiversität im Garten zwar Geduld brauche, mit einfachen Maßnahmen allerdings eine erfolgreiche Ansiedlung von Insekten, Vögeln und anderen Tieren für Freude und Glück im Garten sorge.

Marlene Berger-Stöckl dankte den zahlreichen Gartenliebhabern für ihr Interesse und wünschte viel Spaß bei der Umsetzung der artenfreundlichen Gartentipps.

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